In diesem Artikel zeige ich euch ein paar Impressionen von meinen Buslinien im Netz 3 von Bernmobil, und verknüpfe das mit ein paar Erläuterungen, wie man vom Dozent und Project Manager zum Buschauffeur wird.
(Anmerkung für meine Leser in Deutschland: Busfahrer heissen hier tatsächlich Chauffeur, oder offiziell Fahrdienstangestellte(r) – da ziehe ich den Chauffeur vor).
Prolog: die Prophezeiung
Eine alte Dame erkannte schon im Juni 2011 in mir,
was aus mir werden würde: Kiruna
Erster Akt: Ad astra
Diplom in Geophysik 1990
Promotion in Planetenphysik 1995
Project Manager für Messinstrument auf der Kometensonde „Rosetta“ 1996 – 2002
Project Manager für Messinstrument auf der Merkursonde BepiColombo 2004 – 2017
Zweiter Akt: Karma
Habilitation in Physik 2009
Kollegen und Freunde fragen mich: „Bewirbst du dich jetzt auswärts auf eine Professur? Gehst du dann nochmal weg von hier?“
Meine Antwort:
„Bevor ich nochmal von Bern weggehe, fahre ich lieber hier Tram.“
Man soll das Schicksal nicht herausfordern.
Dritter Akt: Implosion
Der Kanton Bern beschliesst, seine Angestellten ab dem 55. Lebensjahr besser vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Die Uni Bern setzt diese Forderung um und beschliesst, dass Mitarbeiter ab 55 nicht mehr befristet angestellt werden dürfen.
Sondern unbefristet. Oder gar nicht.
Vierter Akt: ein blinder Seestern…
…streckt seine Arme aus in alle Richtungen, die wie „nach vorn“ aussehen. Über zweihundert Bewerbungen, weniger als zehn Vorstellungsgespräche. Nach zwei Jahren Auslaufen des Tagegeldes. Ausgesteuert.
Intermezzo
Freiberuflicher Dozent an der TEKO Fachschule Bern. Kurse in Physik, Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Präsentationstechniken.
Sehr viel Spass und Freude, aber nur ein kleines Pensum, unregelmässiges Einkommen und kein Fluss in die Pensionskasse. Trotzdem: merci, TEKO! Ich habe die Zeit dort sehr genossen.
Fünfter Akt: vom Seestern zum Seh-Stern
Wenn Plan A, B, C und D nicht funktionieren: was kann ich noch, was mache ich gern, wenn auch schlecht:
Kochen: aber als Koch arbeiten? Lieber nicht. Kochen wird ein Hobby bleiben.
Fotografieren: eine Karriere als Fotograf? Klingt so realistisch wie eine Karriere als Profi-Golfer. Bleibt also ein Hobby.
Auto fahren: gern und mit Ausdauer und Ambitionen. Aha. Das Karma setzt sich in Gang, die Prophezeiung aus Kiruna wird wahr?…
Sechster Akt: der Bogen in der Karriere
Bewerbung bei Bernmobil. Vorläufige Einstellungszusage. Medizinischer und psychologischer Eignungstest. Theorie Kategorie D (Car/Bus). Fahrschule Kat. D., Prüfung, Training im Netz, und jetzt fahren.
Epilog
Was ich noch nie hatte, aber jetzt geniesse:
Wenn der Dienst vorbei ist, ist wirklich Feierabend. Ich habe noch nie am Abend oder Wochenende oder in den Ferien gedacht, „Ohje, ob die Linie 31 wohl wieder verspätet ist?“
Ob als Student, Doktorand, Dozent oder Project Manager: es gab immer Arbeit, die zuhause und in der eigentlich freien Zeit gemacht werden wollte.
Wenn der Dienst vorbei ist, ist er vorbei. Ich habe etwas erledigt und abgeschlossen, die Fahrgäste sind froh und dankbar (und sagen das auch erstaunlich oft). In allen bisherigen Jobs war eine Arbeit nie fertig; es war immer etwas offen und meistens verspätet und dringend.
Oft, eigentlich fast jeden Tag, denke ich so eine halbe Stunde nach Dienstbeginn, „das hier ist eigentlich noch ein cooler Job. Ich sitze vorn, klimatisiert, höre stundenlang Blogs und Spotify, bin nett zu anderen Chauffeuren, den Velofahrern, Autofahrern und Fahrgästen, freue mich, dass sie sich freuen, sehe mir die Gegend und die Leute an, und hab Freude an dem, was ich da mache.
Peace of mind.
Lieber Kollege. Wie Du weisst, hat mich das Leben auch auf dem falschen Fuss erwischt. Auch ich durfte die Vorzüge von Bernmobil erfahren und bin seit 6 Wochen als Tramchauffeur unterwegs. Ich kann deinen Worten nur zustimmen. Ich hatte noch nie so einen sozial eingestellen Arbeitgeber und einen Job der mir so viel Spass macht. Warum habe ich das erst 2020 geschafft? Das nächste Ziel ist noch die Ausbildung zum Buschauffeur. So kann ich zwischen Schiene und Strasse switchen.
Vielen Dank, Harry! Tram würde mich auch noch reizen. Aber wir beide sind recht weich gefallen, denk ich. Und happy.