Die Spur des Truthahns

Mit der routinemässigen DNA Analyse menschlichen Erbguts wurden zahlreiche Türen aufgestossen, die von der Forensik über die Diagnose von Erbkrankheiten bis zur Stammbaumanalyse von Familien reichen. Insbesondere die Geschichte des Homo Sapiens, seiner entwicklungsgeschichtlichen Vorläufer, der Vettern und Cousinen, und ihre Ausbreitung von Afrika über den gesamten Globus können heute dank DNA-Analysen viel besser verstanden werden als zuvor.

Was aber, wenn aus kulturellen oder religiösen Gründen DNA-Proben nicht zur Verfügung stehen? Heimlich Hautschuppen und Haare einsammeln, unerlaubt alte Knochen beproben? Das ist für ethisch handelnde Forscher keine Option. Aber es gibt eine sehr einfache, eigentlich naheliegende und trotzdem vielleicht überraschende Alternative: man untersucht die DNA von Haustieren, die ihr Schicksal, ihre Geschichte und ihre Wanderungen mit den Menschen teilten. Zum Beispiel Truthühner (auch als Pute und in der Schweiz Trute bezeichnet).

TL;DNR: Im 13. Jahrhundert verschwanden die Anasazi aus der Gegend um Mesa Verde und Four Corners (Nevada, Utah, Arizona, New Mexico), die sie vorher viele Jahrhunderte lang geprägt hatten, und in der sie grosse Siedlungen aus Steinhäusern („Pueblos“, cliff wellings) errichtetet hatten. Angebliche Nachfahren behaupten, eine lange Dürreperiode habe die Anasazi zum Umzug an den südwestlich gelegenen Rio Grande gezwungen. Aus religiösen Motiven lehnen viele dieser potentiellen Nachfahren aber DNA-Untersuchungen ab und betrachten die Entnahme von Proben aus Knochenfunden um Four Coners als Entweihung ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Vorfahren. Allerdings führt die Mitochondrien-DNA-Analyse von Truthühner weiter: historische Haustierknochen aus der Four Corners Region zeigen grosse genetische Verwandschaft mit heutigen Puten am Northern Rio Grande.

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Einsamkeit kann das Leben mehr verkürzen als Adipositas (und warum das ein fragwürdiger Vergleich ist)

Aufbauend auf einer Studie von 2010 berichtete Julianne Holt-Lunstad, Professor für Psychologie an der Brigham Young University im August über eine deutlich ausgeweitete Metastudie zu den gesundheitlichen Folgen von Vereinsamung. In einer ersten Metastudie wurden 148 einzelne Studien mit mehr als 300 000 Teilnehmern ausgewertet. Ergänzt wurde diese Untersuchung um weitere 70 Studien, an denen insgesamt 3.4 Millionen Personen aus den USA, Asien, Australien und Europa teilnahmen.

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(c) Karsten Seiferlin

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Ganz schön aufgeblasen: Bigelow’s BEAM ISS Modul bleibt vielleicht länger im Einsatz

 

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Bigelow’s BEAM Modul an der ISS

Bigelow Aerospace ist spezialisiert auf bewohnbare Module für den Eisatz im Weltraum, die aus einer flexiblen Aussenhaut bestehen, zusammengefaltet gestartet werden können und sich erst durch Aufblasen zur vollen Grösse entfalten. 2016 starteten sie mit der achten SpaceX Versorgungsmission ein erstes kleines Demonstrationsmodul, das BEAM (Bigelow Expandable Activity Module). Nach dem Ankoppeln an die ISS wurde es zur vollen Grösse aufgeblasen, die hier in Zeitraffer zu sehen:

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Immer der Nase nach? Wie Kühe sich beim Grasen ausrichten

Symboldbild; (c) Karsten Seiferlin
Symboldbild; (c) Karsten Seiferlin

Dass Kühe im Gebirge immer mit dem Hang zur gleichen Seite stehen, sich demnach nur mit Partnern der gleichen Vorzugsrichtung paaren (können) und sich auf lange Zeiten so zwei getrennte Populationen entwickeln, die jeweils einseitig kürzere Beine haben, um sicher und bequemer zu stehen, ist vermutlich Unsinn, andererseits wohl noch nicht systematisch untersucht worden.

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Wird es wirklich wärmer? Und wie können wir das zuverlässig messen?

TL;DNR Der totale Wärmegehalt der oberen 2000 m der Ozeane zeigt deutlich kleinere Temperaturschwankungen als die Oberflächentemperatur, und zeigt daher schon nach weniger als 4 Jahren zuverlässig einen Trend der Klimaerwärmung an, während die durch kurzfristige Schwankungen beeinflusste Oberflächentemperatur erst nach knapp 30 Jahren ähnlich aussagekräftige Schlüsse erlaubt. Der gefundene Trend passt exzellent zum CO2-Gehalt in der Atmosphäre.


Berühmt-berüchtigt ist der irre Auftritt [YouTube] des republikanischen US-Senators James Inhofe im Senat, der einen Schneeball von der Strasse mitgebracht hatte und diesen als Beleg gegen die Klimaerwärmung im Senat präsentierte. Offensichtlich hat er – sei es absichtlich, sei es bewusst zuspitzend, sei es aus fehlendem Sachverstand – Wetter und Klima verwechselt.

Unter Wetter verstehen wir die atmosphärischen Bedingungen wie Temperatur, Niederschlag, Wind über Zeiträume von einigen Tagen. Klima nennen wir langfristige (nach Wikipedia 30 Jahre) typische Wetterlagen und deren Durchschnitt an einem Ort. Aber was genau heisst in dem Zusammenhang „langfristig“? Wie lange müssen wir warten, um zuverlässig Trends erkennen zu können? Und, wird es tatsächlich immer wärmer?

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Und derweil in China: News aus der chinesischen Raumfahrt

Die Begeisterung und vielleicht auch nostalgische Wehmut über das Ende der grossartigen Cassini-Mission zum Saturn, der andauernde Strom von faszinierenden Fotos der Juno-Sonde im Jupiter Orbit oder die beeinduckende Erfogsserie von SpaceX, die im Abstand weniger Wochen eine Rakete nach der anderen starten und wieder landen, verdeckt unseren Blick auf die Aktivitäten in Sachen Raumfahrt, die in China ablaufen. Und es ist wahrlich mehr als der sprichwörtliche Sack Reis, der umfällt.
Neues zu Tianzhou 1, Trägerraketen, Marsmissionen:

Sojus T-15: die vielleicht coolste bemannte Weltraummission bis heute

 

Salyut 7 mit angedockter Sojus T
Salyut 7 mit angedockter Sojus T
(c) NASA, Public Domain; http://web.archive.org/web/20041109203851/

OK, das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Schliesslich gab es da noch die Apollo-Missionen zum Mond. Aber die sind Legende, während die Sojus T-15 Mission kaum beachtet wurde.

TL;DNR: Andauernde Probleme mit der Saljut 7 Raumstation einerseits, und die bereits gestartete Mir Station andererseits konfrontierten die sowjetische Raumfahrt Mitte der 80er Jahre mit einem Dilemma: sollte man die Saljut 7 reparieren und die noch ausstehenden Experimente durchführen, oder die Mir so schnell  wie möglich in Betrieb nehmen und Saljut7 aufgeben? Da nur noch eine Sojus-Kapsel zur Verfügung stand, die an beide Raumstationen ankoppeln kann, musste eine Entscheidung her. Und man entschied sich zu einer riskanten Lösung: nicht entweder/oder sondern sowohl/als auch. Zwei Kosmonauten nahmen zunächst die Mir in Betrieb, wechselten von dort zur Saljut 7, führten die dort wartenden Experimente durch, und kehrten anschliessend zur Mir zurück. Nie zuvor und nie danach ist eine Crew von einer Raumstation zu einer anderen (und dann auch noch retour) geflogen.

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Trinke ich genug?

Dieses Bild soll nur neugierig machen - im Artikel geht es um Wasser. Foto: (c) K. Seiferlin, TimeCaptured auf instagram
Dieses Bild soll nur neugierig machen – im Artikel geht es um Wasser. Foto: (c) K. Seiferlin, TimeCaptured auf instagram

TL;DNR: Trinke ich genug? Spoiler: Sehr wahrscheinlich ja. Begründung: Sonst würdest Du mehr trinken. Denke ich mir das nur aus? Nein, dazu gibt es Untersuchungen, die unabhängig begutachtet und in Fachmagazinen veröffentlich wurden. Und mein Kaffee entzieht meinem Körper Wasser? Nein, natürlich nicht. Aber warum sagen und schreiben alle, dass wir „viel trinken sollen“ und Kaffee uns austrocknet? Weil Fakten recherchieren viel mühsamer ist als abschreiben und nachplappern. Klingt unglaublich?! Dann musst du wohl doch den ganzen Artikel lesen, und wahrscheinlich noch viel mehr.

Gut, wenn das in der Zusammenfassung etwas hoppla-hopp ging, dann hole ich dich da ab, wo du vermutlich stehst. Jetzt, mitten im heissen Sommer 2003 2015 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 (und danach), liest man ein Duzend mal täglich, dass man auf jeden Fall mindestens 2, besser 3 oder doch 4 Liter Wasser am Tag trinken soll.  (Die 2 Liter entsprechen den in den USA früher empfohlenen 8 x 8 (Flüssig-Unzen), präzise 1.893 Liter. Drei und mehr Liter machen Fitness-Portale und andere Sekundärquellen gern daraus, damit man auf der „sicheren“ Seite ist.). Auch wird gern behauptet, Bier, Wein, selbst Kaffee und Tee stillen den täglichen Flüssigkeitsbedarf nicht oder entziehen gar zusätzliches Wasser.

Dann muss es ja stimmen! Oder? Eine Referenz auf eine Erstquelle, also eine Publikation in einem wissenschaftlichen Fachmagazin, die sorgfältig und unabhängig begutachtet wurde, fehlt nämlich meistens. Also doch Urban Legends?

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Weitwinkel und Tele mit der Fuji X100F (WCL, TCL, digitaler Zoom)

Die Fujifilm Finepix X100F (Affiliate link) – im Folgenden kurz X100F genannt – ist Fujifilms vierte (F=four) Iteration der mittlerweile legendären X100. Das World Wide Web und Youtube sind voll von emotionalen Liebeserklärungen für die X100. Es ist eine Camera, die man sofort in die Hand nehmen möchte. Sie sieht toll aus, dabei „harmlos“, sodass sie unauffällig und weniger bedrohlich daher kommt als die typische DLSR. Die Bedienung, die ganz klassisch auf Blendenring, Belichtungszeit-Rad, eines zusätzlichen Rads für Belichtungskompensation und vielen frei programmierbaren Tasten beruht, spricht vor allem Fotografen an, die nicht erst mit den computerisierten Digitalcameras und ihren PASM-Moduswahlrädern und mehrfach belegten Kontrollrädchen fotografieren gelernt haben.

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Hybridantrieb: Mythen und Fakten

Betriebszustände eines Hybridantriebs (c) Ruth Ziethe

Nicht nur an Stammtischen, sondern erstaunlicherweise auch in den gängigen Autozeitschriften und Magazinen, werden uralte Vorurteile und Mythen über den Hybridantrieb verbreitet. Toyota hat vor mittlerweile zwei Jahrzehnten den ersten Prius auf den Markt gebracht und verkauft mittlerweile die vierte Generation – da sollten doch wenigstens die Fachjournalisten verstanden haben, warum und wie der Hybridantrieb eigentlich Benzin sparen kann. Aber der Reihe nach…

TL;DNR: Hybridautos sparen Benzin, wenn man dem System die Freiheit lässt, den Verbrenner möglichst oft im effizientesten Last- und Drehzahlbereich zu betreiben. Das geht vor allem auf hügeligen Landstrassen, aber auch im Stadtverkehr. Rekuperieren trägt unwesentlich zum Spareffekt bei und ist sogar die schlechtere Alternative zu vorausschauendem Fahren. Hybridautos sind einfacher aufgebaut als Diesel, zuverlässiger, und sparsamer. Und sauberer noch dazu.

Mythos: elektrisch Fahren spart Benzin

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