Huntsville, Alabama. Bei den Älteren Lesern klingelt es vielleicht sofort in den Ohren. Bilder von Wernher von Braun, von Raketen, tauchen vor dem geistigen Auge auf. Richtig, hier steht die Wiege der US-amerikanischen Raketen-Entwicklung. Und hier betreibt die NASA ein Space Camp für Kinder und ein Museum, in dem man Raketen von der aus der deutschen Aggregat4 – von den Nazis auch V2 gennant – abgeleiteten Redstone bis zur Saturn V und einem Mock-Up des Space Shuttle anschauen kann. Wow. Und Hunstville lag auch noch fast genau auf unserer Route, die uns seit Santa Fe fast direkt nach Osten, Richtung Chattanooga, führen sollte. Da muss man nicht lange überlegen. Zumal direkt am Museum ein RV Campground liegt, der auch noch ein paar freie Stellplätze im Angebot hatte. Super.
Wir sind am frühen Nachmittag dort angekommen und dann nach dem Abstellen des RV gleich ins Museum. Weil um 17 Uhr geschlossen wird, hat man uns gesagt, das Ticket gelte auch noch am nächsten Tag. Prima, das nenn ich kulant. Im Museum dann erste Verwunderung über die schlechte, d.h. nicht vorhandene Beschilderung. Wo geht‘s hier raus, in den Rocket Garden? Wir laufen an Postern vorbei, die nichts zeigen, das nach etwa 2012 passiert ist. Kleine Raketenmodelle in Vitrinen zeigen nichts, das neuer ist als ca. 2000. Die aktuellsten Stücke sind offensichtlich Geschenke aus Indien und von der ESA. SLS, Orion, SpaceX, Blue Origin: Fehlanzeige. Wir finden nach einiger Zeit einen Notausgang, der nicht verschlossen ist, und uns nach aussen, in den Rocket Garden führt. Dort steht ein 1:1 Mockup des Space Shuttle, die Pathfinder, die noch vor der Enterprise gebaut wurde und als Test für Kräne, Montierungen, den Transport mit einem umgebauten Jumbo Jet, aber auch für das Training der Bodencrew beim Arbeiten am späteren echten Shuttle diente. Dieses Modell steht samt Boostern und zentralem Haupttank im freien, und ist in einem jämmerlichen Zustand. Man möchte dem Museum ein paar Eimer Farbe schenken.
Etwas weiter stehen Modelle von Redstone, Juno, Vanguard, Saturn 1B Raketen – ebenfalls anscheinend nicht mehr gepflegt, seit sie dort aufgestellt wurden. In einem ausgehobenen Loch steht ein 1:1 Modell einer Mondlandefähre. Die sieht aus wie ein Schulprojekt, das mit dem örtsansässigen Dorfschreiner in den letzten Ferien dort installiert wurde.
Im Gewühl steht irgendwo ein Schild, auf dem eine Renovierung zwischen 2016 und 2018 angekündight wird. Nur, es sieht nirgendwo so aus, als wenn man schon mal angefangen hätte.
Besonders traurig ist der Zustand des Skylab-Modells. Für alle, die nicht vertraut sind mit der Raumfahrgeschichte: von den ursprünlich geplanten Apollo-Missionen wurden die letzten vier oder fünf gestrichen, mangels Interesse der Öffentlichkeit. Das eigentliche Ziel, die Russen zu schocken und den Russen die technologische Vorherrschaft im All streitig zu machen, war erreicht. Jetzt galt es, den Fokus wieder auf die Erde zu setzen und eine Raumstation für längere Crew-Aufenthalte zu starten. Die Russen hatten bereits mit dem Saljut-Programm solche Raumstationen und mehrwöchige Missionen geflogen.
Man baute also eine Station, die mit 7 m Durchmessser genauso breit war wie die dritte Stufe der Saturn V, und tatsächlich eine umgebaute dritte Stufe war. Keine andere Raumstation, kein anderes Modul hat je wieder diesen Durchmesser erreicht. Hier hatten die Astronauten wirklich Platz! Das Skylab wurde in der ersten Hälfte der 70er Jahre gestartet und nacheinander von drei Crews zu jet drei Astronauten besucht. Dabei wurden Apollo-Kapseln als Taxi benutzt. Zurück nach Huntsville. Hier liegt ein Skylab-Modell im Freien. Und verrostet. Jämmerlicher Zustand. Und links und rechts hat man Flugabwehr-Raketen vom Typ Hawk aufgestellt – weiss der Kuckuck, warum. Und davor, den Blick verdeckend, hängt ein Hubschrauber vom Typ Bell UH-1D. Das sind die Mannschaftstransporter, die in Vietnam eingestezt wurden. Apocalypse now… Hier total fehl am Platze. Eine Schande. Skylab sollte ein Stolz der NASA sein, in gewisser Weise unerreicht. Und hier verrostet das Modell und wird hinter Armee-Hubschraubern versteckt.
Wir sind dann ins Museums-Restaurant. „Mars Grill“ getauft. Eine kleine Halle, Selbstbedienung mit dem Flair einer Mensa. Ein grosses Schild schreit uns „OPEN“ entgegen. Niemand sitzt an den Tischen. An der Essensausgabe sind ausnahmslos alle Stationen leer, geputzt, parat für den nächsten Tag. Und das 90 Minuten vor dem offiziellen Schluss.
Wir haben dann noch die Ausstellung von ISS Modulen angeschaut. Alles recht neu, und obwohl dort nur einige wenige Module aufgebaut sind, bekommt man einen guten Eindruck, wie das Leben da oben in der ISS wohl ist. Man darf einige Module begehen und sogar mit Hardware wie Kränen spielen. Sehr nett!
Im Gebäude kommen wir übrigens öfters mal an Gruppen von zehn bis zwanzig Leuten mit offiziellem Museums-T-Shirt vorbeit, die auf Stühlen rumhängen, sich besprechen oder langweilen. Mehr Personal als Besucher, und das Personal kümmert sich nicht um die Besucher. Alles sehr sehr seltsam.
Ich hatte ja schon in einem früheren Post meine Verwunderung geäussert, wie wenig Plfege und Wartung man in den USA Dingen zukommen lässt, bzw. wie blind und tolerant man offensichtlich gegenüber dem steten Verfall ist. Bei verrottenden Klozwischenwänden, fehlenden Kloschlössern und vor Grind starrenden Duschen löst das vielleicht Kopfschütteln aus, aber hier macht es traurig oder fast ärgerlich. (OK, was die Russen mit ihren Buran-Shuttles machen, ist noch viel krasser).
Die waagerecht ausgestellte und zerlegte Saturn V und die neue Halle, in der sie ausgestellt ist, lassen wir uns für den nächsten Tag.
Und in der Tat: die relativ neue Halle lohnt den Besuch. Alles ist blitzblank. Die Saturn V hängt waagerecht in der Halle, in ihre einzelnen Stufen zerlegt. 111 m lang bzw. Hoch ist das Aggregat, wenn es fertig montiert ist, so wie die zweite Saturn V, die draussen im Park aufgestellt ist. Die Haupttriebwerke, fünf an der Zahl, sind so riesig, in jedem der „Hütchen“ könnte ein ganzes Fussballteam duschen. Sehr beeindruckend, das Ganze. An den beiden Seiten der Halle finden sich diverese Exponate, zum Beispiel ein teilweise begehbares Skylab-Mockup, das einen schönen Eindruck vermittelt, wie viel Platz die Besatzung damals hatte, gerade im Vergleich zu den heute üblichen Modulen. Es gibt mehrere Stockwerke übereinander, jeweils mit kreisförmiger Grundfläche, und teilweise unterteilt in eine „Messe“ mit „Steh“tisch, drei kleinen Schlafkabinen für die Crew, einer Sport“halle“ etc.
An einem Infostand spricht uns ein Volunteer an, ein recht betagter freiwilliger Museumsführer. Er hat noch unter Wernher von Braun selbst an den Raketen geforscht und entwickelt. Will wissen, woher wir kommen. Aus Bern, soso, da war ich mal, weiss er zu berichten. „Wir haben mit Gangolf (er meint wohl Gangloff, dem Gondelbauer aus Bern) zusammen gearbeitet. Die haben Gerüste und Hebel und Haken etc. für uns gebaut.“ Die Welt ist klein.
An diesem Tag war auch der Mars Grill geöffnet, aber ziemlich verwaist. Kaum Gäste. Man kann fast verstehen, warum gestern schon eine Stunde vor dem offiziellen Feierabend nichts mehr serviert wurde.